Strategische Perspektiven Juli 2022

Die neue Dramatik an den Börsen

Der Krieg in der Ukraine und die schweren Spannungen zwischen dem Westen und Russland wie auch China, oder selbst die kritische Veränderung des Klimas, spielen an der New Yorker Börse, der Leitbörse für so viele andere auch, nur eine untergeordnete Rolle. Die Sorgen dortiger Investoren sind andere, und die sind ernst genug.

Das erste Halbjahr 2022 war, gemessen am Kursverfall in New York, das schlimmste seit der großen Depression1932, also seit 90 Jahren. Der Weltaktien-index MSCI World ist um gut 20 % gefallen, Technologieaktien um die 30 %, und amerikanische Anleihen um 14 %. Für die war es das ärgste Jahr seit 1788, seit über 200 Jahren.

 

Der Hauptgrund für diese Entwicklung ist in Phase eins die Inflation, mit Raten von zuletzt um die 8%, und das auf beiden Seiten des Atlantiks. Das sind hier wie dort die höchsten Werte seit 40 Jahren. In Phase zwei haben viele Notenbanken darauf mit teils recht deutlichen Zinserhöhungen reagiert. In Phase drei haben die Konsumenten dann ihrerseits mit Einsparungen begonnen (beginnen müssen), was wiederum die Konjunktur schwächt.

Preissteigerungen: Vorübergehend oder anhaltend?

Das weitere Konjunkturgeschehen und auch die weitere Vorgangsweise der Notenbanken, damit aber ebenso die Börsenentwicklung, hängen daher letztlich davon ab, ob die Inflation nachhaltig ist oder nicht.

Im Prinzip sind es in den USA und in Europa die gleichen Haupttreiber der Inflation: Industriegüter und Rohstoffe, Nahrungsmittel, Öl und Gas und deren Folgeprodukte, wie Treibstoffe und auch elektrischer Strom, und last but not least die Mieten.

Gehen wir diese Komponenten der Reihe nach durch: Bei Industriegütern gab es, wie schon vor längerem von uns geschildert, zunächst geringere Produktion im Zuge der Coronakrise. Aber ausgerechnet als die Nachfrage wieder anstieg, kam es zur Verstopfung der Absatzwege und damit zur Verknappung. Und deren Folge ist stets Verteuerung. Außer in China gibt es Im Moment auch in Europa und in den USA Ver- bzw. Entladungsprobleme, die ebenfalls Lieferprobleme verursachen. Dazu kamen die Sanktionen, die von den europäischen Staaten gegen Russland verhängt wurden. Die Folge waren Unterbrechungen der Lieferungen aus Russland, deren Umfang und Bedeutung zunächst recht kräftig unterschätzt worden war.

Bei Industriegütern sind im Moment die Preiserhöhungen besonders hoch, doch darf wegen der laufenden Aufstockung der Produktion allmähliche Entspannung erwartet werden. Auch die Transportprobleme sollten sich trotz Corona einmal lösen lassen.

Viel schlimmer sieht es derzeit bei Nahrungsmitteln aus. Die Abhängigkeit vor allem der nordafrikanischen Staaten von Exporten aus Russland und der Ukraine haben wir in unseren letzten Strategischen Perspektiven geschildert. Dazu kommen beschränkte Hitzeverträglichkeit wichtiger Grundnahrungsmittel wie Weizen und Mais, großflächige Dürre da und Überschwemmungen dort, und ein ständiger Rückgang der weltweit überhaupt verfügbaren Agrarflächen. All das zusammen ergibt eine Verknappung, die langfristig noch ernster werden dürfte.

Die Preissteigerungen bei Öl und Gas sind dramatisch, hängen aber auch mit den Sanktionen gegenüber Russland zusammen. Für Russland haben diese noch kaum finanzielle Verluste gebracht, es kompensiert bisher den geringeren Absatz durch weit höhere Preise. Im Juni hat der maßgebliche Kontraktpreis für Erdgas zeitweise sogar 120 Euro je MWh überschritten. Im Juni 2019, erst vor drei Jahren, lag der Preis noch bei 10 Euro/MWh. Auch ist Russland bei der Ausweitung der Lieferungen in andere Regionen als Europa erfolgreicher als erwartet. Die Lieferungen nach Indien haben sich zuletzt glatt verfünffacht, übrigens mit Hilfe von Schiffen aus Großbritannien, Griechenland und Norwegen. Und in China hat Russland gerade Saudi-Arabien als Hauptlieferanten von Öl abgelöst. Es liefert derzeit 2 Millionen Barrel (je 159 Liter) am Tag. Das sind um 55% mehr als noch vor einem Jahr.

Schwer getroffen wurden dagegen vor allem die einkommensschwächsten Schichten in Europa. Die indexgebundenen Mieterhöhungen sind für viele schlimm genug, aber die energieabhängigen Betriebskosten fallen derzeit noch mehr ins Gewicht. Wertet man die Sanktionen bei Öl als Schuss in Richtung Russland, dann ist dieser Schuss ins eigene Knie gegangen. Bei anderen Energieträgern sieht es ohnedies anders aus. Polen importiert aktuell weiter Kohle aus Russland, West- und Osteuropa importieren (auch) von dort weiter Uranbrennstoffe für ihre Atomreaktoren.

Nunmehr soll die heutige Abhängigkeit von russischer Energie durch eine von arabischen Lieferanten ersetzt werden. Das ist genau das, was man vorher durch vermehrte Energieimporte aus Russland verringern wollte. Auf französischen Atomstrom kann man nicht setzen. Frankreich hat aktuell jede Menge technische Probleme mit seinen Atomreaktoren und war bereits im letzten Jahr Nettoimporteur und nicht Nettoexporteur von elektrischem Strom. Und zum Hoffnungsträger LNG nur folgendes: Nach Angaben des Ölgiganten BP wären für einen durchgängigen Ersatz russischen Erdgases durch LNG aus welchen Quellen allein in Deutschland mehr als 100 Umwandler notwendig, alle mit einer durchschnittlichen Bauzeit von 3,5 Jahren. Bei Energiepreisen, egal ob Gas oder Öl oder Strom, ist daher so bald mit keinerlei Entspannung zu rechnen.

Bei Rohstoffen wird viel von der künftigen Entwicklung abhängen. Zuletzt sind die Preise für Rohstoffe sogar deutlich zurückgegangen. Aber am Horizont zeigen sich neue Monopole. Russland ist ein wichtiger Lieferant mehrerer kritischer Rohstoffe wie z.B. Nickel, Palladium, und Dünger. Wir können es nur wiederholen: Treibt man Russland zu sehr in die Arme Chinas, das außerdem noch der Lieferant anderer wichtiger Rohstoffe ist, dann schafft man auf diese Weise einen Rohstoffgiganten mit hoher Preisfestsetzungsmacht, der diese wohl auch gegenüber dem Westen weidlich ausnützen wird. Von der Leyen hat schon recht, wenn sie feststellt: „Wir importieren Lithium für Elektroautos, Platin für die Wasserstoffproduktion, Silizium für Solarmodule. 98 % der Seltenen Erden, die wir brauchen, kommen von einem einzigen Zulieferer: China“

Und so kann höchstens mit einer Verlangsamung des Preisauftriebs gerechnet werden, aber nicht mit einem baldigen Ende: Von der künftigen Art der Beziehungen zwischen Ost und West wird es abhängen, ob wir in Europa überhaupt über diese kritischen Rohstoffe verfügen werden, und wenn ja, zu welchen Preisen.

Das Dilemma der Notenbanken

Das erste Halbjahr hat eine ganze Welle von Zinserhöhungen durch Notenbanken gebracht. Diesmal waren sogar die Schweizer dabei, aber noch immer nicht die Europäische Zentralbank, die bisher nur verbal einen härteren Kurs angekündigt hat.

All diesen Notenbanken ist bewusst, dass Zinserhöhungen zwar die Nachfrage dämpfen können, aber gegenüber Verknappungen des Angebots wenig Wirkung haben. Den Notenbanken geht es freilich auch um die Signalwirkung. Sie wollen verhindern, dass sich eine Spirale aus steigenden Preisen, daraufhin steigenden Löhnen, damit höheren Kosten und dann erneut höheren Preisen einstellt.

Sowohl die FED als auch die EZB haben freilich ihre zusätzlichen Probleme. In den USA ist es die Sorge um die Konjunktur, die die FED dem Zwiespalt aussetzt, einerseits mit einem kräftigen Bremsen der Inflation auch der Konjunktur zu schaden, andererseits mit einer Lockerung der derzeit verfolgten Linie zwar die derzeit schwächelnde Konjunktur zu stützen, aber damit die Inflation eher zu fördern.

Ein solches Dilemma ist in Phasen schwächerer Konjunktur ein generelles Problem aller Notenbanken, und trifft daher ebenso die europäische Zentralbank. Aber die hat noch ein zweites Dilemma, und zumindest ihrer eigenen Meinung nach auch noch ein drittes: Das zweite Dilemma ist die hohe Staatsverschuldung einer ganzen Reihe von EU – Staaten, bei denen daher steigende Zinsen in der Zukunft auch je nach Höhe des zu finanzierenden Defizits höhere Ausgaben für Anleihezinsen bedeuten. Die Negativzinsen der letzten Zeit sollten ja nicht zuletzt den europäischen Staaten die Finanzierung erleichtern. Zusätzlich hat die EZB in den letzten Jahren insgesamt nicht weniger als 8.000 Milliarden Euro an europäischen Staatsanleihen eingekauft und auf diese Weise den europäischen Kapitalmarkt wesentlich entlastet

Ein drittes Dilemma sieht die EZB darin, dass sich in den letzten Wochen die Risiko-aufschläge der einzelnen europäischen Staatsanleihen unterschiedlich entwickelt haben, kurzzeitig war die Rendite italienischer Staatsanleihen sogar um 2 Prozent höher als die deutscher. Die EZB sieht darin eine Gefährdung des Euro. Das muss man nicht unbedingt nachvollziehen, auch innerhalb eines einheitlichen Währungs-raumes kann es schließlich unterschiedliche Bonitäten geben. Unterschiedliche Renditen deutscher und italienischer Staatsanleihen gibt es sogar schon lange. Die EZB will diese Entwicklung allerdings nunmehr zum Anlass nehmen, gegen Renditedifferenzen ein eigenes Programm aufzulegen. Es wäre eine Überraschung, wenn dieses angekündigte Programm auf Anderes hinausliefe als auf den neuerlichen Kauf von Staatsanleihen europäischer Staaten mit unterdurchschnittlicher Bonität. Und mehr noch: Sorgt man dafür, dass Anleihen von Ländern unterschiedlicher Bonität zu geringe Renditedifferenzen haben, dann kaufen die Anleger die mit besserer Bonität, und die mit schlechter Bonität landen wieder bei der EZB.

Überhaupt vermuten wir, dass die EZB, sei es aus eigenem, sei es über politischen Druck, zwar in begrenztem Umfang an den Zinserhöhungen teilnehmen wird, dabei aber relativ große Zurückhaltung an den Tag legen wird. Das könnte bedeuten, dass das Zinsniveau in Europa hinter dem in den USA oder auch anderen Märkten deutlicher zurückbleibt, was wiederum zu größeren Kapitalabflüssen führen könnte.

Rezession und Deglobalisierung

Zinserhöhungen dämpfen die gesamtwirtschaftliche Nachfrage und damit die Konjunktur, die derzeit auf beiden Seiten des Atlantiks ziemlich angeschlagen ist. Hier wie dort haben daher bereits die Wirtschaftsforschungsinstitute die Wachstumsprognosen für heuer und für das kommende Jahr zurückgenommen. Die internationalen Sanktionen und die Gegenreaktionen darauf verteuern nicht nur die Rohstoffpreise, sondern treffen direkt und über die Energieversorgung indirekt eine ganze Reihe von Produktionen, und die damit befassten Unternehmen.

Eine weitere Abschwächung der Weltwirtschaft ist daher durchaus realistisch. Immerhin meinte der International Monetary Fund vor kurzem, den USA werde es „gerade noch“ gelingen, an einer Rezession vorbeizukommen. Es gibt auch weitere Argumente dafür, dass der Abschwung nicht allzu drastisch ausfallen sollte. Erstens sind die Auftragsbücher vieler Unternehmen ganz gut gefüllt. Auch eine Entspannung der Transportproblematik sollte neuen Schwung bringen. Zweitens hängt die Weltkonjunktur leider bereits ziemlich stark von China ab, und dort scheint sich die Konjunktur gerade wieder etwas zu beleben. Dazu kommt drittens das immer noch nicht wirklich befriedigend erklärte Phänomen der Austrocknung der Arbeitsmärkte, sowohl in den USA als auch in Europa, auch in Deutschland und in Österreich. Längerfristig dürfte auch eine Rolle spielen, dass die Bevölkerungszahl und damit auch die arbeitsfähige Bevölkerung in wichtigen Industriestaaten sinkt.

Erwartete Zu-/Abnahme der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter 2020 - 2035

Quelle: Daten United Nations, Graphik Flossbach von Storch

 

Womit wir daher längerfristig rechnen sollten, ist weniger eine Zunahme der Arbeits-losigkeit als vielmehr eine weitere Zunahme der „working poor“, jener sozialen Schicht, die sich kaum mehr ein halbwegs anständiges Leben leisten kann. Arbeitsplätze gibt es derzeit reichlich, mit dem Einkommen aber auch auszukommen, wird für viele Menschen immer schwieriger.

Dieses eher moderate Szenario unterliegt allerdings in Europa einem großen Risiko, und das ist nicht zuletzt die deutsche Politik. Diese hat bis heute daran festgehalten, sowohl Atom- als auch Kohlekraftwerke der Reihe nach zu schließen, und hat hinsichtlich des Ausbaus alternativer Energien ein Tempo erwartet, das mit der Realität nichts zu tun hatte. Die Zeitschrift „Frankfurter Allgemeine“ vom 21. Juni hat es auf den Punkt gebracht: „Eine verkehrte Ausstiegspolitik zog eine illusorische Ausbaupolitik nach sich.“ In der so entstandenen zeitlichen Lücke setzen die Sanktionen gegen Russland, auch wenn sie moralisch noch so verständlich sind, die eigene Industrie und die eigene Bevölkerung hohen Risken aus – obwohl sie Russland wie geschildert bisher weit weniger treffen als erwartet.

Die deutsche Energiepolitik pokert derzeit ziemlich hoch. Die deutsche Industrie hat schon vor Ende Juni laut verkündet, dass alle aktuellen Einsparmöglichkeiten bereits ausgeschöpft seien und jede weitere Verringerung der Versorgung mit Erdgas unweigerlich zu Produktionseinschränkungen und den Verlust von Arbeitsplätzen führen müsse. Der renommierte Börsenkommentator Dr. Jens Ehrhardt hat dazu festgestellt, dass ein schnelles Zudrehen des russischen Gashahns für Deutschland verheerende Folgen hätte: „Durch die [...] extreme Abhängigkeit Deutschlands vom Außenhandel [...] kann durch die dann auf Jahre fehlende Energiezufuhr eine Verarmung Deutschlands in historischem Ausmaß“ die Folge sein.

Und weiter hat Jens Ehrhardt formuliert: „Im Gegensatz zu jedem anderen Land scheinen deutsche Politiker die eigenen deutschen Interessen am weitesten hintenan zu setzen.“ Um es simpel zu formulieren: Man sitzt im Glashaus und folgt brav dem Entschluss der EU und der G7, immer größere Steine zu werfen. Diese Politik erinnert fatal an den fliegenden Holländer. Das Schiff fährt mit vollen Segeln gegen den Wind der Realität, die grüne Mannschaft fordert den Steuermann auf, Wacht zu halten und bei diesem Kurs (ohne Atomkraft) zu bleiben, und der Kapitän hofft auf (Er)lösung.

Manche Propheten reden von Deglobalisierung, aber leider nur wenige auch von den Konsequenzen. Für eine solche Entwicklung muss man den bereits geschilderten Problemen ein ernstes Weiteres hinzufügen: Europäische Länder, die derzeit weltweit exportieren und zugleich zum Ausgleich der eigenen Kostennachteile billigeres Vormaterial in großem Umfang importieren müssen, würden international wichtige Märkte verlieren und auch unter weit höheren Kosten leiden. Dass diese höheren Kosten nicht zuletzt durch ein ordentliches Lohnniveau und ein ausgebautes Sozialsystem verursacht werden, interessiert auf den Weltmärkten niemanden.

Der NATO – Generalsekretär Stoltenberg hat vor kurzem geäußert, der Krieg könne noch Jahre dauern und müsse mit einem Sieg der Ukraine enden. Wenigsten hat er die berüchtigte Vokabel vom Endsieg noch vermieden. Solche Vorstellungen sind mehr als nur bedauerlich. Jeder einzige Tag Krieg bedeutet Schrecken ohne Ende, und vergrößert das Trümmer- und Leichenfeld ständig weiter. Nach einer langen Kriegsdauer gibt es keine Gewinner mehr, sondern nur Verlierer.

Ein Wirtschaftskommentar wie dieser hier soll sich mit moralischen Wertungen zurückhalten. Aber er soll Wahrscheinlichkeiten abwägen, und Risken aufzeigen. Und das größte Risiko zeigt sich, wenn man die gegenwärtige Situation mit der von 1914 vergleicht. Damals sind die Politiker im Interesse der Verteidigung der damaligen vermeintlich ewigen Werte Ehre und Vaterland in einen Krieg hinein-gestolpert, der Europa auf Jahrzehnte in Massenelend, Hass, Diktaturen und einen neuen noch größeren Krieg geführt und seine dominante Stellung in der Welt auf Dauer zerstört hat. Und heute nehmen Politiker das Risiko einer Eskalation bis hin zu einem Atomkrieg in Kauf, der weit umfassendere Zerstörungen zur Folge hätte als wir uns überhaupt vorstellen können.

Es wird heute viel von Verantwortung für die Wahrung der westlichen Werte gesprochen. Dem ist unbedingt zuzustimmen. Aber diese Verantwortung hätte seit vielen Jahren auch in der Form wahrgenommen werden müssen, dass man die militärische Verteidigungsfähigkeit zur Wahrung dieser Werte herstellt. Diese Verantwortung ist in grober Weise vernachlässigt worden. Und wenn man schon von Verantwortung redet: Jede Regierung hat auch Verantwortung für das Wohlergehen seiner Bevölkerung, und diese wird, wie wir zitiert haben, derzeit „hintenan gesetzt.“ Und wenn es sich dabei um den wirtschaftlich stärksten Staat Europas handelt, gibt es auch eine gewisse Verantwortung gegenüber der Bevölkerung ganz Europas.

Und wie rettet man sein Geld?

In dieser Zeit hoher Risken und hoher Unsicherheit sollte man defensiv agieren. Aber das bedeutet eben nicht, sich auf Spareinlagen zu konzentrieren. Die gegenwärtige hohe Inflation kann man damit nicht ausgleichen. Und es gibt weiterhin Chancen und Möglichkeiten auf den Kapitalmärkten, die man nutzen sollte - sogar bei Anleihen,

Die Kapitalmärkte preisen derzeit ein, dass die EZB die Zinsen auf bis zu zwei Prozent erhöhen könnte. Angesichts der Rücksichtnahme der EZB auf die Finanzierungskosten der Staaten halten wir das eher für eine Obergrenze. Es ist daher nicht unplausibel, vor allem nach der zu erwartenden Zinserhöhung der EZB Anleihen guter Bonität zu kaufen. Bei kurzer Restlaufzeit und der erhofften Stabilisierung der Preise wenigstens für Industriegüter sollte das Verlustrisiko gering sein und die Verzinsung zwar unter der Inflationsrate, aber deutlich über der für Spareinlagen liegen. Diesmal haben z.B. Staatsanleihen so viel verloren wie schon lange nicht, trotzdem bleiben wir zumindest in der EU eher zurückhaltend.

Bei längerfristigem Veranlagungshorizont sind Aktien trotz aller kurzfristigen Schwankungen nach wie vor die beste Alternative. Der Kursverfall und die bisher noch gute Gewinnentwicklung vieler Unternehmen hat die Bewertungen teils sogar unter den langjährigen Durchschnittswert gedrückt. Aber es ist zwingend notwendig, den derzeitigen dramatischen Veränderungen der Politik und der Weltwirtschaft Rechnung zu tragen und bei Branchen und Regionen selektiv vorzugehen.

Das bedeutet unserer Meinung nach, bei Investitionen in deutsche Aktien alle Branchen mit hoher Energieabhängigkeit zu vermeiden. Für die deutsche Stahl-industrie und die Chemieindustrie hätte ein weiterer Rückgang der russischen Gaslieferungen in der nächsten Zeit verheerende Konsequenzen. Weniger abhängig, vernünftig bewertet und mit guter Rendite ausgestattet sind dagegen Telekom – Werte, sie haben auch unter den Kursrückgängen der letzten Monate kaum gelitten. Die gegenwärtige weltpolitische Lage legt übrigens nahe, ganz konservativ in Schweizer Basiswerte zu investieren. Dort gibt es von Nestle bis Roche weltweit agierende Großunternehmen, die trotz gelegentlicher Behäbigkeit auch der Kurse solide Ertragslage mit weltweit starker Marktstellung und erstklassiger Finanzierungs-struktur verbinden.

Sortiert man nach Branchen, dann kommt man natürlich um Energiewerte nicht herum. Aber bitte Vorsicht leider ausgerechnet bei alternativen Energien. Sosehr ihr Ausbau allseits gewünscht wird, so ernüchternd ist die Praxis. Solaranlagen ab einer gewissen Größe erfordern in Deutschland eine technische Abnahme. Die verzögert sich aber wegen Personalmangel bei den Prüfstellen immer mehr. Vor kurzem wurde beklagt, dass bereits mehr als 1.000 solcher Anlagen fertig, aber eben noch nicht abgenommen und daher auch noch nicht in Betrieb seien.

Die Erbauer von Windkraftanlagen hängen stark von chinesischen Metallen ab. Der frühere Nestle Chef Brabeck-Letmathe hat darauf hingewiesen, dass China meist einen technologischen Vorsprung bei dieser Technik habe. Und wenn Europa einmal aufhole, dann erhöhten die Chinesen die Preise für die seltenen Erden so stark, dass Europa kostenmäßig wieder zurückfalle. Probleme hat diese Form alternativer Energie aber auch mit deutschen Behörden. Vor kurzem hat der Denkmalschutz ein Projekt gestoppt, weil eine Windkraftanlage eine „wichtige Sichtachse“ auf einen alten verfallenen, aber denkmalgeschützten Herrenhof versperre.

Und selbst wenn man ESG – Kriterien ernst nimmt, aber auch an die nächsten Jahre denkt statt an die fernere Zukunft, sind Öl- und Gaskonzerne einen Blick wert. Manche, auch solche aus Italien und Frankreich, verbinden derzeit niedrige Bewertungen mit hohen Renditen, ganz abgesehen davon, dass sie mit großen Investitionsprogrammen in Richtung alternativer Energieproduktion tätig sind.

In den letzten Strategischen Perspektiven haben wir auf einige weitere Branchen hingewiesen, die gerade in der jetzigen Krise nicht nur unverzichtbar sind, sondern auch gerade deshalb weiterhin gute Zukunftschancen haben, wie beispielsweise der Pharmasektor, der ganze Bereich Nahrungsmittel, und auch der High-Tech Bereich, bei dem man allerdings zwischen Unternehmen mit großer Marktmacht und hohen Gewinnen und Newcomern mit großen Versprechungen und hohen Verlusten sorgfältig unterscheiden muss.

An der Sinnhaftigkeit einer Investition in solide Unternehmen dieser Branchen hat sich nichts geändert. Wir wollen heute noch 2 Ergänzungen anbringen. Das eine ist der große Bereich Wasser. Als PRIVATCONSULT haben wir schon immer diesem Sektor große Aufmerksamkeit gewidmet, und werden diese weiter erhöhen. Der Welt geht das (verfügbare) Wasser aus. Die Grundwasserspiegel sinken weltweit, nicht überall wegen fehlenden Regens, aber überall wegen zu großer Entnahmen. In vielen Regionen dieser Erde wird mit Wasser noch geradezu verschwenderisch umgegangen. Nach Schätzungen von Experten werden wir in 20 Jahren nicht mehr genug Wasser haben, um, die bisherigen Verbrauchsgewohnheiten beizubehalten.

Und noch eine, scheinbar etwas entlegene Branche wollen wir erwähnen, und zwar den 3-D Druck. Diese Technik zeichnet sich dadurch aus, dass sie nach Plänen alles Mögliche individuell und ohne Gussformen oder materielle Eingriffe wie Schmieden oder Spanen oder Hobeln herstellen kann. Für zukunftsträchtig halten wir diese Branche aus mehreren Gründen. Erstens ist die derzeitige Unterbrechung der Lieferketten ein guter Hinweis darauf, dass man eine Vielfalt vielleicht selten gebrauchter, aber trotzdem unbedingt benötigter Teile ja auch im eigenen Hause herstellen und damit von Lieferketten weniger abhängig werden kann. Und zweitens wird der Anwendungsbereich ständig erweitert. Gab es am Anfang praktisch nur Plastik zum Formen, kann man heute sogar bestimmte Metalle be- und verarbeiten. Und nach oben hin wachsen die Maschinen ebenfalls und können bereits Beton oder auch besser wärmedämmendes Material drucken. Beispielsweise werden Häuser billiger, wenn nicht zuerst der Maurer die Wände baut und dann erst Elektriker und Installateure den Raum für Kabel und Rohre herausstemmen, sondern man all das von vornherein in einem Arbeitsgang berücksichtigen kann.

Auch die jetzige Krise bietet Chancen, und das nicht zu knapp. Bei unseren Veranlagungen für Sie sind wir bemüht, sie bestmöglich zu nutzen.

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