Beruhigung an der Inflationsfront, aber: Während die Inflationsrate des Euroraums von September auf Oktober von 9,9 auf 10,7% kletterte, nachdem die Energiepreiskomponente fast 42 % anstieg, war sie in den USA im Oktober von 8,2 auf 7,7% rückläufig, was in Kombination mit einen Konjunkturabschwung Hoffnungen aufkeimen lässt, dass die Fed ihr Tempo weiterer Leitzinsanhebungen verlangsamt. Doch die Inflationsgefahr ist noch lange nicht gebannt, denn wesentlich wichtiger als die Gesamtinflation ist die Kerninflation, aus der die volatilen Komponenten Energie und Nahrungsmittel herausgerechnet werden. Im September erreichte diese mit 6,6 % ihren vorläufigen Peak und höchsten Wert seit den frühen 80er-Jahren, ehe im Oktober ein Rückgang auf 6,3% erfolgte. Eine weitere von der Fed genau verfolgte Inflationsgröße ist der Personal Consumption Expenditures Price Index (PCE), ein auf private Konsumausgaben konzentrierter Verbraucherpreisindex, dessen Headline-Inflation (Gesamtinflation) nach einem Peak von 7,0% im Juni bis September zwar auf 6,2% zurückgegangen ist, aber ex Nahrungsmittel und Energie im September mit 5,1% über dem Juni-Wert von 5,0% liegt. Mieten, Pachtzinsen, Löhne und Gehälter steigen und
somit werden auch quer durch die Bank Dienstleistungen und Industrieprodukte teurer (Lohn-Preis-Spirale). Die Zahl der offenen Stellen erreichte in den USA nämlich zwischenzeitlich neue Rekordwerte und führt zu höherer Wechselwilligkeit und Lohnforderungen der Arbeitnehmer. Auch aus der Fed mehren sich die Stimmen, dass die Zinsanhebungsreihe noch länger dauert und ein Endzinsniveau zur Folge hat, das weit über den ursprünglichen Einschätzungen des Offenmarktausschusses liegt. Somit ist es nicht verwunderlich, dass Sonal Desai, Investmentchefin für Anleihen bei Franklin Templeton davon ausgeht, dass die Fed ihre Leitzinsen zum Peak auf 5,25 bis 5,50% anhebt. Bezüglich des Midterm-Wahlausgangs lichtet sich der Nebel. Der Senat bleibt in demokratischer Hand und bezüglich Mehrheiten im Repräsentantenhaus ist der Ausgang noch offen. Die Demokraten schnitten besser ab als ursprünglich erwartet.
Wie lange hielten in den USA Phasen mit höheren Inflationsraten an?
So lange dauerten vergangene Hochinflationsphasen mit nachhaltigen Inflationsraten von über 5 % (länger als 12 Monate) in den USA:
· März 1916 bis November 1920 (Erster Weltkrieg, Spanische Grippe—Pandemie und globale Warenknappheit): 57 Monate
· Juli 1941 bis Juli 1943 (Kriegswirtschaft im Zweiten Weltkrieg): 25 Monate
· Juli 1946 bis Oktober 1948 (Warenknappheit nach Zweitem Weltkrieg und schlechte Ernten): 28 Monate
· Dezember 1950 bis Dezember 1951 (Weitere Inflationswelle wegen Warenknappheit): 13 Monate
· März 1969 bis Februar 1971 (Rohstoffknappheit durch Aufschwung und Peak-Oil-Thematik): 24 Monate
· April 1973 bis Oktober 1976 (Yom Kippur Krieg, Folgen Ölboykott): 43 Monate
· Jänner 1977 bis Oktober 1982 (u.a. Erster Golfkrieg): 70 Monate
Vergleichbare Szenarien mit heute sind Erster Weltkrieg und Spanische Grippe, und der erste sowie zweite Ölschock, woraus 42 bis 70 Monate über 5 % resultieren sollten, von denen wir bereits 18 Monate hinter uns haben. Demnach folgen noch zumindest 2023 und 2024 zwei weitere schwierige Jahre.